Teil 2

Manuela von Biskewitz. Jung und reich. Reich geworden dadurch, dass sie einen millionenschweren Unternehmer geheiratet hatte, der natürlich doppelt so alt war wie sie. Und der es jetzt offenbar Spaß machte, ihren Reichtum unter die Leute zu bringen.

"Megara, meine Liebe!", flötete sie zur Begrüßung übertrieben laut. "Wunderbar, dass es heute mit dem Essen geklappt hat!".

"Wir freuen uns auch, Manuela", sagte meine Mutter, deutlich ruhiger und gefasster als diese schreckliche Person.

"Und sie sehen fabelhaft aus!", fuhr die Biskewitz gleich fort. "Ihre Haut - sie sehen damit keinen Tag älter aus als zwanzig!". Meine Güte. Meine Mutter sah gut aus, keine Frage. Und auch noch um einiges jünger, als sie war, keiner sah ihr an, dass sie bereits drei erwachsene Kinder hatte. Aber dass sie keine zwanzig Jahre alt mehr war, war dann doch offensichtlich. Ich seufzte ob dieser oberflächlichen Person leise auf und fing den Blick meiner Schwester auf, die mit ihren Augen rollte. Ich grinste sie kurz an, unbemerkt von der Biskewitz, die eh noch damit beschäftigt war, das Aussehen meiner Mutter in den höchsten Tönen zu loben. Gerade wollte sie wissen, welche Kosmetikerin meine Mutter aufsuchen würde und fiel aus allen Wolken, als sie hörte, dass meine Mutter niemals zu einer solchen ging.

"Das kann doch nicht sein, Megara, Herzchen! Sie müssen mir ihren Trick verraten, der sie so gut aussehen lässt!".

Ich hatte Fluchtgedanken. Wenn das nun den ganzen Abend so weiter ging, dann gute Nacht. Und nun wurde die Aufmerksamkeit dieser "Dame" auch noch auf meine Schwester und mich gelenkt, weil wir nun von meiner Mutter vorgestellt wurden.

"Entzückend!" rief sie aus und ich fragte mich kurz, wie jung wir in ihren Augen wohl aussahen, wenn meine Mutter als Zwanzigjährige durchging. Wie zehn vielleicht?

"Hallo, Frau Biskewitz", sagte ich dann jedoch höflich.

"Nennt mich Manuela!", rief sie aus. "Und jetzt, lasst uns was essen!".

Wir studierten die Speisekarte. Ich konnte mich kaum zwischen den leckeren Gerichten entscheiden. Auch wenn wir nicht in Felix' Restaurant saßen, wusste ich doch, dass auch hier sehr gut gekocht wurde.

"Mein Gott", seufzte Manuela jedoch auf. "Was soll man denn hier essen? Wenn ich gewusst hätte, dass das hier eher eine bäuerliche Wirtschaft ist, hätte ich euch woanders hin eingeladen".

"Der Karpfen soll hier gut sein", sagte meine Mutter diplomatisch, ohne auf Manuelas Worte einzugehen. "Das habe ich zumindest gehört".

"Der Karpfen?", fragte Manuela und rümpfte etwas die Nase. "Nun gut. Warum nicht".

Wir gaben die Bestellung auf, und während wir auf das Essen warteten, lamentierte diese oberflächliche Person schon wieder.

"Hoffentlich schmeckt das Essen besser als auf unserer Kreuzfahrt".

"Oh, sie haben eine Seereise gemacht?", wollte meine Mutter wissen.

"Ja, wir sind vor zwei Wochen zurückgekehrt. Aber ich kann ihnen sagen, Schätzchen, das Essen war grauenhaft!".

"Tatsächlich? Dabei sagt man doch immer, dass es gerade auf den Kreuzfahrtschiffen so gut sein soll!", hakte meine Mutter nach.

"Nicht auf unserem Dampfer. Wir sind mit der >Otellocara< gefahren. Aber das war das erste und letzte mal, das kann ich ihnen sagen".

"Was war denn mit dem Essen?", fragte nun Viola frei heraus, während die Kellnerin bereits unsere Getränke brachte.

"Das Fleisch war zäh wie eine Schuhsohle, das Gemüse verkocht, die Soßen versalzen. Eine Beleidigung für jeden Gaumen. Wir haben uns dann natürlich noch vor Ort beschwert, und man hat uns gesagt, dass der Chefkoch krank geworden war. Und die Hilfsköche seien mit der Situation wohl überfordert gewesen. Wir kämpfen nun um eine Erstattung, denn es geht ja nicht, dass wir ausbaden müssen, was die dort verbockt haben".

Während die Biskewitz noch weiter plapperte, wandte sich Viola flüsternd an mich.

"Würde Felix noch seinen ursprünglichen Traum verfolgen, könnte er auf dem Dampfer als Koch anheuern. Wenn das stimmt, was die Biskewitz erzählt, würden sie ihn sogar mit Handkuss nehmen, was?". Sie grinste dabei, doch ich blickte sie verwirrt an.

"Was für einen Traum denn?", fragte ich deshalb nach und trank einen Schluck Wasser.

"Ach, das weißt du noch gar nicht?", stellte Viola fest und fuhr gleich fort: "Er wollte immer auf einem Kreuzfahrtschiff Koch sein, um die Welt sehen zu können. Für ihn war eben die Welt gerade groß genug, um seine Abenteuerlust zu stillen". Sie lachte dabei, doch ich musste aufpassen, dass ich mich nicht an meinem Wasser verschluckte. Felix wollte eigentlich um die Welt reisen? Warum - schockierte mich das gerade so?

"Was ist - aus seinen Plänen geworden?", fragte ich völlig verunsichert nach, weil ich die Antwort schon ahnte.

"Schwesterherz, das kannst du dir doch denken, oder?", zwinkerte Viola.

"Nein!", versuchte ich ihr glaubhaft zu versichern, doch sie schüttelte den Kopf.

"Sorry, also wenn du da nicht von selbst drauf kommst, dann frage ihn einfach, wenn du ihn das nächste mal siehst, ja?".

"Viola, bitte! Liegt es an mir?". Mein Herz klopfte, während ich auf ihre Antwort wartete. Die Sekunden schienen sich zu dehnen.

"Klar liegt das an dir, was hast du denn gedacht? Und ich bin froh drum. So habe ich meinen besten Freund hier in der Nähe". Verdammt, ich hatte es doch geahnt!

 

Es fühlte sich falsch an. Ich wollte nicht, dass Felix auf seine Träume verzichtete, schon gar nicht wegen mir. Das durfte einfach nicht sein. Aber vielleicht war das ja auch nur mal eine fixe Idee gewesen?

"Hat er oft von diesem Traum gesprochen? Oder war das nur mal so eine Idee, die er kurzzeitig gehabt hatte?". Viola seufzte auf.

"Eigentlich bin ich nicht hierhergekommen, um von dir mit Fragen durchlöchert zu werden", sagte sie schon leicht genervt.

"Wenn du mir so etwas vor den Latz knallst, dann rede auch darüber!", sagte ich erregt.

Schnell huschte mein Blick zu Manuela und Mama, doch die beiden waren so mit essen und reden beschäftigt, dass sie unser Gespräch kaum verfolgten.

"Also, was ist nun?", hakte ich wieder etwas leiser bei Viola nach.

"Hey, ich glaube, ich weiß, worauf du hinaus willst. Aber Felix ist ein erwachsener Mann, und er tut, was er für richtig hält, ja? Wenn sein Traum, durch die Weltmeere zu schippern, nicht so groß war wie der, mit dir zusammen zu sein, dann freue dich einfach darüber, okay?". Damit war für sie das Thema erledigt.

 

Ich jedoch bekam das ganze restliche Essen kaum mehr was von den Gesprächen am Tisch mit, ständig spukte mir Felix' Traum im Kopf herum. Und ich kam mir einfach nur wie eine Träumezerstörerin vor.

Als wir dann gingen, lief mir Felix' Onkel Thomas über den Weg.

"Hey, Madeleine!", begrüßte er mich freudig überrascht. Ich war nicht minder überrascht ihn hier zu treffen.

"Hallo Thomas", begrüßte auch ich ihn. "Hast du dich vielleicht verlaufen?". Ich kannte Thomas, den Besitzer der Disco >Schinderei< hier in Sunset Valley, inzwischen schon so gut. In den letzten Jahren hatten wir uns ja schon sehr oft gesehen, allein, weil Viola immer wieder an der Bar der Disco aushalf. Und seit ich mit Felix zusammen war, begegneten wir uns natürlich noch viel öfter, auch privat bei ihnen zu Hause.

"Nein, aber der Besitzer von hier ist ein Kumpel von mir", antwortete er.

"Wie, den kennst du auch? Ich dachte, dass du Felix die Ausbildungsstelle in seinem Restaurant vermittelt hattest, weil du da auch den Chef gut kennst", war ich etwas verwirrt.

"Richtig. Der gehört auch zu meinen Freunden", antwortete er grinsend.

"Ach? Ihr Gastronomen kennt euch wohl alle hier, oder wie?", fragte ich.

"Fast", grinste er zurück und sah mit dem frechen Grinsen Felix sehr ähnlich. Dass die beiden verwandt waren, konnte man jedenfalls nicht übersehen.

Gleich am nächsten Tag würde sich vielleicht eine Gelegenheit dafür ergeben, mit Felix über die Schiffsache zu sprechen, denn er hatte frei und besuchte mich.

 

Allerdings hatte ich zuerst etwas ganz anderes für ihn geplant.

 

"Felix, würdest du dich einfach mal irgendwohin setzen, am besten auf das Bett vielleicht", forderte ich ihn auf.

"Oh là là, was hast du vor?", fragte er und grinste süffisant.

"Erst mal was anderes, als du denkst", sagte ich.

"Gut. Dann lasse ich mich mal überraschen", sagte er und machte es sich dann auf meinem Bett bequem. Und ich, ich ging zu meiner Gitarre. Denn ich wollte ihm heute endlich ein Lied vorspielen.

Entgegen meiner Befürchtungen war ich eigentlich ziemlich ruhig. Ich wusste, dass er sich darüber freuen würde, und allein deshalb freute auch ich mich. Seine Augen leuchteten dann tatsächlich auf, als ich mit meinem Instrument vor ihm stand. Ich hatte den Song, den ich ihm vorspielen wollte, in den letzten Tagen so oft geübt. Eigentlich musste das jetzt klappen.

Notenbild ist verlinkt und führt zu einem Video.

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Und dann begann ich einfach zu spielen. Ich liebte dieses Lied und ich versank beim Spielen komplett darin.

 

Felix hörte mir entspannt zu.

Als ich dann fertig war, stürmte er gleich auf mich zu.

"Das war ganz toll, Madeleine!", meinte er. "Ich will nie wieder von dir hören, dass du nicht gut spielen kannst, klar?". Ich lachte auf.

"Alles klar", sagte ich.

"Und ich würde gerne noch viel öfter was von dir hören. Wir sollten echt mal zusammen spielen, das wäre sicher cool", schlug er vor.

"Einverstanden", sagte ich. Jetzt, wo der Damm gebrochen war, konnte ich mir das auch wunderbar vorstellen, gemeinsam mit ihm zu spielen.

"Super. Das sollten wir echt bald machen", lächelte er und ich nickte.

Dann küsste er mich und ich vergaß, dass ich ihn auf seine früheren Berufspläne hatte ansprechen wollen.

Ein paar Tage später ging ich in die Stadt. Ich war bei meiner Frauenärztin gewesen um mir die Pille verschreiben zu lassen, weil ich im entscheidenden Moment mit Felix sicher nicht noch mit irgendwelchen Gummis hantieren wollte. Es würde bestimmt eh aufregend werden, da wollte ich die Verhütungsgeschichte aus dem Kopf haben.

 

Vor der Apotheke kam mir meine Schwester entgegen, ebenfalls mit einer Apothekentasche in der Hand.

"Hey, Schwesterherz!", begrüßte sie mich aufgekratzt, und ich grüßte sie zurück.

"Bist du krank, Viola?", wollte ich wissen und nickte kurz zu ihrer Tasche hin, doch sie lachte auf.

"Nein, Gott sei Dank nicht!", sagte sie dann, und ich war erleichtert. "Ich habe ein paar Medis für unsere Straßenkids besorgt, außerdem noch eine Kleinigkeit für mich".

 

Viola und Volker betreuten seit einigen Wochen ehrenamtlich für einen Verein Straßenkinder und - jugendliche in Sim City. Deshalb wollte Viola auch Streetworkerin werden und Sozialpädagogik studieren. Da Volker den gleichen Wunsch hegte, versuchten die beiden, auf die gleiche Uni zu kommen.

"Wie geht es den Kids zur Zeit? Habt ihr viele Probleme zu bewältigen?", wollte ich wissen.

"Und ob", sagte Viola. "Maddy, du kannst dir nicht vorstellen, mit was sich da manche herumschlagen müssen oder was in anderen Familien so abgeht. Uns geht es wirklich ausgezeichnet im Vergleich dazu".

"Macht dich das nicht fertig? Seelisch meine ich", wandte ich ein, weil ich mir diese Arbeit als psychisch sehr belastend vorstellte.

"Doch, manchmal schon", gab sie zu. "Es gibt Storys, die verfolgen mich Tag und Nacht. Volker hilft mir, so gut es geht, und wenn ich mich im Jiu Jitsu austoben kann, tut das auch mehr als gut. Aber die Erfolgsstorys ziehen einen dann auch immer wieder hoch". Ich lächelte meine Schwester an und bewunderte sie sehr dafür. Das hatte ich ihr auch in den letzten Wochen immer wieder gesagt. Ich war mir sogar sehr sicher, dass ich das nicht könnte. Ich würde an so einem Job nach und nach kaputt gehen, dessen war ich mir sicher.

"Musst du gleich los oder wollen wir noch ein bisschen durch die Stadt bummeln?", fragte ich dann meine Schwester.

"Gern! Ich habe Zeit!", willigte sie ein. "Ein paar neue Klamotten wären echt nicht schlecht".

"Super", freute ich mich. "Warte bitte kurz, ich muss eben noch was aus der Apotheke besorgen", sagte ich.

"Klar, ich warte. Ach, du brauchst auch was aus der Apotheke? So krank siehst du gar nicht aus", meinte sie und sah mich mit schräg gelegtem Kopf an. "Aber vielleicht brauchst du ja das gleiche, was ich mir gerade für mich geholt habe". Ihr Blick ruhte auf mir, als sie auf meine Reaktion wartete. Jetzt ahnte ich, was die "Kleinigkeit" für sie war, die sie vorhin erwähnt hatte.

"Vermutlich", lächelte ich deshalb etwas verlegen.

"Scheiße, diese Bilder im Kopf!", rief sie dann plötzlich aus. "Meine Schwester und mein bester Freund! Das geht echt gar nicht!", beschwerte sie sich.

"Dann denke einfach nicht daran", bat ich sie kopfschüttelnd.

"Klar", sagte sie trocken. "Das ist das gleiche, wie wenn ich dir sage, nicht an einen blauen Elefanten zu denken. Was würde dir dann wohl im Kopf herumschwirren, hm?", machte sie und ich winkte ab, um in die Apotheke zu gehen und mir die Pillenpackung, die mir meine Frauenärztin verschrieben hatte, zu holen. Im Kopf hatte ich natürlich Bilder einer ganzen Elefantenherde, deren Haut satt blau schimmerte.

Danach gingen wir beide mal wieder zusammen shoppen. Es war einfach toll, mit ihr zusammen zu sein, ich mochte meine Schwester sehr. Und auch wenn wir total unterschiedlich waren, so war sie doch wie eine Freundin für mich.

Am darauffolgenden Wochenende traf sich die Clique im Park. Zur Clique gehörten natürlich Felix, Viola und ihr Volker. Außerdem war auch oft meine beste Freundin Maika mit von der Partie, dazu die zwei Freunde von Felix, Bastian und Oskar.

 

Oskar war ein schwarzhaariger Mann, mit vielen Tattoos und einer Vorliebe für Leder. Felix hatte ihn über seinen besten Freund Bastian kennengelernt, denn Oskar war ebenso wie die zwei Motorradfahrer und hatte seine Maschine desöfteren bei Bastian in die Werkstatt gebracht. So waren sie irgendwann ins Gespräch gekommen. So weit ich wusste, hatte Oskar die Schule während der 9. oder 10. Klasse geschmissen und arbeitete jetzt in einer Fabrik als Maschinenführer. Er hatte keine Ausbildung abgeschlossen.

 

Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er mich nicht sonderlich mochte. Er war mir gegenüber immer sehr kurz angebunden, egal, wie freundlich ich zu ihm war.

Ganz anders lag der Fall bei Bastian. Bei ihm hatte ich das Gefühl, mit offenen Armen empfangen worden zu sein.

 

Wir warteten noch auf Viola und Volker, um irgendetwas zu unternehmen und vertrieben uns die Zeit damit, Ideen zu finden, was wir so machen könnten. Kino war von Bastian eingeworfen worden, dafür war das Wetter für Felix zu schön. Ich schlug daher einen Besuch im Freibad vor, das war dann wieder Oskar zu blöd, da er ja dann noch erst seine Badesachen holen musste. Ich seufzte auf. Das war ja klar gewesen.

"Felix, wir könnten doch einfach eine schöne Strecke mit den Motorrädern abfahren, oder was meinst du?", fragte Oskar meinen Freund. Dieser zuckte mit den Schultern.

"Die müssten wir aber auch erst holen, außerdem hat Madeleine noch keinen guten Helm, ich habe nur noch einen alten zu Hause, den ich ihr nicht zumuten kann".

Oskar sah mich nicht an, sondern rückte noch näher an Felix heran, als er antwortete:

"Eigentlich dachte ich an eine Jungs-Ausfahrt". Er hatte zwar leiser gesprochen, aber ich hatte es immer noch gut gehört. Ich hielt vor Schreck den Atem an, mein Blick huschte zu Felix.

"Aber heute doch nicht?", sagte Felix fragend, doch sein Blick war stechend. "Wir wollten ja mit allen was machen, und Viola und Volker haben nicht mal eine Maschine. Das geht schon mal nicht".

"Dann halt nicht", entgegnete Oskar schon fast trotzig, und ich ahnte, dass er es schon bereute, diesem Treffen heute zugestimmt zu haben.

"Oskar, der Sommer ist noch lange, wir können sicher noch oft eine Ausfahrt machen. Aber eben nicht heute". Felix' Stimme war kräftig und bestimmt gewesen, und das war der Moment, als Oskar dann auch nichts mehr sagte.

Als Oskar außer Hörweite war, sagte ich zu Felix:

"Er kann mich nicht leiden".

"Das glaube ich nicht. Ich denke, es geht ihm nur darum, dass wir unsere Motorradausflüge auch weiterhin zu dritt machen sollten", gab er zurück. Doch so sicher wie Felix war ich mir da nicht.

"Ich weiß nicht", sagte ich deshalb. "Ich würde euch doch nie eure Ausfahren nehmen, das weiß er doch auch. Ich glaube schon, dass da mehr dahinter steckt".

"Oskar ist ein rauer Kerl. Der meint das sicher nicht so. Außerdem hat er gar keine andere Wahl, als mit dir klarzukommen, etwas anderes ließe ich gar nicht zu", versuchte es Felix noch mal, mich zu beruhigen. "Und wer könnte dir denn auch widerstehen, Creamy?". Felix nahm mich fest in den Arm. Schon wieder dieser Spitzname!

"Hör mal auf, diesen dämlichen Spitznamen zu mir zu sagen", sagte ich erbost. Ich war eh schon nicht sonderlich gut gelaunt nach Oskars offener Ablehnung. Dann das auch noch dazu.

"Wieso dämlich? Ich finde den absolut passend", grinste er mich an.

"Na schön", meinte ich dann angriffslustig, "wenn du mir so einen komischen Namen geben kannst, darf ich das ja wohl auch. Wie könnte ich dich denn nennen, hmm?".

"Och", machte er, "ich bin mit Felix ganz zufrieden".

"Das hättest du wohl gern!", sagte ich und überlegte fieberhaft, was ich zu ihm sagen könnte. Im ersten Moment rauschten mir nur die schönsten Worte wie Honey, Sweetheart, Dreamboy und so etwas im Kopf herum, weil ich einfach zu verliebt in ihn war. Doch dann sah ich in seine Bernsteinaugen und hatte eine Idee.

"Ich werde dich Berni nennen", sagte ich fest. Er prustete los.

"Wie bitte? Warum denn das?", fragte er.

"Wegen deiner Bernsteinaugen", grinste ich ihn frech an.

"Oh Gott, bitte nicht!", sagte er dann aufseufzend.

"Schön. Dann darfst du mich aber auch nicht mehr Creamy nennen, ja?".

"Verdammt", sagte er. "Aber gut, gleiches Recht für alle!", gab er sich dann geschlagen, was eigentlich der Auslöser dafür sein sollte, dass wir uns diese Namen gar nicht mehr sagten. Doch eher das Gegenteil war der Fall.

Später wollte mich auch Bastian, was Oskar betraf, beruhigen.

"Der macht sich über seine Worte da keine Gedanken. Und das solltest du auch nicht". Leichter gesagt als getan, dachte ich mir. Denn eigentlich war es mir schon wichtig, von Felix' Freunden akzeptiert zu werden.

"Ich werde es versuchen. Vielleicht braucht er einfach noch ein wenig Zeit", sagte ich.

 

Als dann Viola und Volker zu uns stießen, erzählten sie von einem Frühlingsfest, das in einer Stadt stattfand, die wir in zwanzig Minuten mit den Autos erreichen konnten. Da das für alle in Ordnung war, machten wir uns dann auf den Weg dorthin, wo wir dann auch einen lustigen Nachmittag verbrachten.

Nur zwei Wochen später standen mein Bruder und ich mit wackeligen Knien in Sim City in unserer Firmenzentrale. Heute war der Tag. Heute würden wir offiziell in den Vorstand der Firma erhoben werden.

 

Für Viola war es kein Thema gewesen. Sie hatte seit jeher gesagt, dass sie nichts davon hielt, hier als Vorstandsmitglied Entscheidungen treffen zu müssen, von denen sie nichts verstand. Nun, wenn es um das ging - mir flatterten die Magenwände, wenn ich daran dachte, was da zukünftig auf mich zukommen würde. Was bei mir jedoch anders war als bei meiner Zwillingsschwester: Ich freute mich auch darauf. Ich würde hier vielleicht bahnbrechende Dinge in die Wege leiten können. Könnte hier mein Wissen einbringen, dass ich mir in den letzten Jahren angeeignet hatte.

 

Bei meinem Bruder war es ein Mittelding zwischen Viola und mir. Er war bei weitem nicht so euphorisch wie ich, weil er, wie er sagte, sich eigentlich nur für die Pflanzen sowie deren Erforschung interessierte und eben nicht für die anderen Themen, die nun mit der Vorstandstaft auf uns zukommen würden. Doch er wollte sich dennoch so gut es ging einbringen und vor allem als Biologe hier arbeiten, was er nach seinem Studium, dass er in wenige Wochen beenden würde, in der Forschungsabteilung tun würde.

"Aufgeregt, Kinder?", fragte meine Mutter, und sie sah nervöser aus als wir alle zusammen.

"Geht so", meinte Sven wenig überzeugend.

"Ich war auch schon weniger nervös", stellte ich trocken fest.

"Ihr schafft das, davon bin ich überzeugt!", sagte mein Vater aufmunternd. "Ihr seid ja nicht zum ersten Mal hier, es ändert sich also eigentlich nichts. Okay?".

"Na, wenn du das sagst, Papa!", witzelte ich, und Sven sah aus, als wolle er gleich im Boden versinken.

"Gut. Seid ihr dann soweit? Silas, Viktor und Frau Kleinsen sind schon drin, lassen wir sie nicht länger warten!".

Und das war dann der Startschuss. Ich versuchte, möglichst selbstsicher in den Konferenzraum zu treten. Und auch meine Mutter war von einer Sekunde zur anderen wie ausgewechselt. Während sie gerade noch ihre Nervosität hatte kaum verbergen können, schritt sie jetzt mit festen Schritten in den Raum.

Wir grüßten die drei Vorstandsmitglieder unserer Firma, als wir uns an den Tisch setzten. Silas zwinkerte mir zu, als ich seinen Blick auffing, und ich grinste zurück. Er war nicht nur ein langjähriges Vorstandsmitglied unserer Firma, sondern auch der Geschäftsführer und vor allem seit Studienzeiten der beste Freund meines Vaters. Viktor war Silas' Assistent und ebenfalls schon seit einigen Jahren in der Firma. Frau Barbara Kleinsen war die Leiterin der Personalabteilung und aufgrund ihrer Kompetenz und ihrer Führungsqualitäten irgendwann in den Vorstand erhoben worden. Doch ich wusste, dass vor allem Mama nicht immer mit dem einverstanden war, was Frau Kleinsen vor allem in Personalfragen durchsetzen wollte und daher die geschäftliche Beziehung zu ihr nicht ganz einfach war.

"Das hier heute", begann dann mein Vater die Sitzung, "ist ein besonderer Tag für uns. Nicht nur für die Firma, sondern auch für Megara und mich ganz persönlich, denn unsere beiden Kinder Madeleine und Sven werden ab heute offizielle Vorstandsmitglieder dieser Firma sein". Ich musste kurz schlucken. Das so zu hören, vor allem in dieser Runde, war schon aufregender als es sich allein zu Hause vorzustellen. Doch mein Vater fuhr schon fort:

"Ich bin mehr als überzeugt davon, dass ihr diese Firma mit eurem Wissen wunderbar unterstützen werdet. Deshalb möchten wir euch zwei ganz herzlich begrüßen!". Zustimmendes Gemurmel war von den anderen zu hören, und Sven und ich bedankten uns.

"Den Begrüßungssekt gibt es später, zuerst möchte ich das Wort an Madeleine und Sven weiter geben, die sich für den heutigen Tag etwas ganz besonderes einfallen lassen haben".

Das war Svens und mein Stichwort, deshalb standen wir auf und gingen zu dem Whiteboard. Dort befestigten wir mit Hilfe der roten Magneten auf der linken Seite unser aktuelles Firmenlogo, und rechts daneben den Entwurf für ein neues, moderneres.

 

Jetzt ging es los!

Sven überließ mir das Reden. Als ich in Frau Kleinsens Gesicht sah, fühlte ich mich für einen kurzen Moment in frühere Zeiten versetzt. Damals, als es für mich noch blanker Horror war, vor anderen Leuten zu stehen und irgendwas sagen zu müssen.

 

Doch dann dachte ich an meinen Freund. Felix hatte mir gezeigt, dass ich vor nichts Angst haben musste, sondern einfach Spaß bei dem haben sollte, was ich tat. Und da es mir sehr viel Spaß gemacht hatte, zusammen mit Sven das neue Logo zu entwerfen, waren diese bedrückenden Gedanken auch schnell wieder weg und ich war wieder da. Ich wusste, ich konnte reden, und ich wusste, dass ich bestens vorbereitet war. Ich hatte Spaß, Wissen zu vermitteln und es war mir klar, dass ich dieses Wissen auch besaß. Ich war in meinem Element!

"Hier sehen wir unser jetziges Firmenlogo, welches wir nun schon seit 113 Jahren so haben", begann ich und ließ den Moment noch mal wirken, damit jeder noch mal ganz bewusst unser Logo betrachten konnte. Auch ich betrachtete es noch mal genau, dieses Logo, welches mein Ururopa Hans entworfen hatte. Nie wurde es in Frage gestellt, nie gab es Änderungswünsche. Doch Sven und ich hatten es gewagt, denn wir hatten es schon als Teenager nicht mehr für zeitgemäß empfunden und Viola fand es ganz schrecklich.

"Im Vergleich mit anderen Firmenlogos, auch im internationalen Bereich, waren wir leider aber nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Mein Bruder und ich haben uns also in den letzten Wochen daran gesetzt, um zu überlegen, wie wir das Logo modernisieren können und trotzdem noch seinen Charakter erhalten. Dies ist unser Ergebnis davon", sagte ich und zeigte auf unseren Entwurf des neuen Logos.

"Die Farben sind heller, die Schrift moderner, aber alle Elemente sind geblieben, selbst das Familienwappen. Außerdem haben wir uns überlegt, auch den Namen ein bisschen abzuändern und zu verkürzen".

"Die Lilie haben wir dafür in den Mittelpunkt gestellt", ergänzte nun Sven. "Immerhin sollte eine Firma, die alles rund um den Garten vertreibt, vor allem eine Pflanze gut sichtbar zentral im Logo haben". Ich verkniff mir das Schmunzeln, aber ich erinnerte mich daran, wie hitzig Sven gerade an diesem Punkt diskutiert hatte. Er, der Pflanzenfreund, hatte es eh noch nie verstanden, weshalb auf dem alten Logo das Bild der Lilie fast das kleinste Element am Logo gewesen war. Für ihn war es eine Herzensangelegenheit gewesen, eben diese Lilie in den Mittelpunkt zu rücken, und da ich es ebenfalls so viel hübscher fand, war das auch kein Thema gewesen. Selbst Viola fand es so besser, doch sie hätte unser "olles" Familienwappen noch komplett von dem Logo gestrichen. Über diesen Punkt hatten auch Sven und ich am Längsten diskutiert, hatten uns aber dann schon allein für den Wiedererkennungswert dafür entschieden.

"Gute Arbeit", lobte Silas, während wir uns wieder setzten. "Jetzt, wo man dieses neue Logo so sieht, merkt man erst mal, wie viel Staub das alte schon angesetzt hat. Ich meine, in 113 Jahren ist eben einiges passiert, die Bedürfnisse der Menschen sind heute ganz andere als damals".

"Das vielleicht schon", warf dann Frau Kleinsen ein, "doch ich verstehe nicht, warum man immer an Altbewährtem herumschrauben muss? Hat sich je jemand über unser Logo beschwert? Ich denke nicht. Warum also ändern? Immerhin hat es so Wiedererkennungswert!". Ich atmete einmal kurz tief ein und wieder aus. Wir hatten mit Widerspruch gerechnet, daher waren wir bestens darauf vorbereitet.

"Vielen Dank für ihren Einwand, Frau Kleinsen", sagte ich professionell. "Gerade der Wiedererkennungswert lag meinem Bruder und mir am Herzen, weshalb wir im Grunde nur wenige Veränderungen vorgenommen haben. Die helleren Farben wirken jetzt freundlicher, der sperrige Namen ist gekürzt worden und die Schrift verjüngt, doch alle Elemente sind geblieben". Frau Kleinsen wollte schon was einwerfen, doch ich machte so, als hätte ich das nicht bemerkt und sprach schnell weiter:

"Außerdem haben mein Bruder und ich uns die Mühe gemacht, und eine kleine Umfrage gestartet. Er unter seinen Kommilitonen in der Uni, ich in der Schule und im Internet. Die Ergebnisse davon sind hier". Ich stand noch mal auf und hängte den Zettel mit unseren Umfrageergebnissen ebenfalls an das Whiteboard und alle starrten darauf. "78,3 % aller befragten Leute haben sich für das neue Logo ausgesprochen".

"Und wie viele Menschen wurden befragt?", fragte Frau Kleinsen pikiert.

"448, davon stammt der Großteil aus der Internetbefragung". Nun war die Kleinsen sprachlos, zumindest sagte sie nichts mehr.

"Du hast noch gar nichts dazu gesagt, Viktor", wandte sich dann mein Vater an Silas' Assistenten. "Was sagst du denn zu dem neuen Logo?".

"Nun", begann dieser, "ich verstehe Frau Kleinsens Einwand mit dem Wiedererkennungswert. Und sicher ist auch ein bisschen Nostalgie im Spiel, wenn man daran denkt, dass dieses Logo hier deutlich älter ist als wir". Huch? Kam da etwa Widerstand aus nicht vorhergesehener Richtung? Ich spannte mich etwas an, denn nun, da ich meinen Trumpf, nämlich die Umfrage, schon ausgespielt hatte, würde es viel schwerer werden zu argumentieren.

"Doch um ehrlich zu sein", fuhr Viktor dann fort, "habe ich mir selbst schon ein paar mal um dieses Thema Gedanken gemacht, weil auch ich fand, dass wir mit diesem Logo einfach nicht mehr zeitgemäß sind".

Mir fiel ein Stein vom Herzen! Ach, war das ein schönes Gefühl, auf so viel Zustimmung zu stoßen. Kurz kam mir in den Kopf, dass es hoffentlich nicht so war, dass Viktor und Silas deshalb unsere Vorschläge mit offenen Armen empfingen, weil wir die Kinder ihrer Arbeitgeber waren. Doch ich schätzte sie eigentlich so professionell ein, dass sie es sagen würden, sollten wir in ihren Augen etwas machen wollen, dass der Firma eher schadete denn nutzte. Daher ging ich davon aus, dass sie unsere Vorschläge tatsächlich für gut befanden.

Auch meine Mutter stimmte dann bei der offenen Stimmabgabe für das neue Logo, aber das war nun wirklich keine Überraschung für mich.

"Na, wenn das kein guter Einstand war!", lachte Silas nach der Sitzung, als wir auf den Sekt warteten, den Frau Behringer uns bringen würde.

"Ich bin froh, dass es so gut gelaufen ist", sagte ich erleichtert.

"Ganz so leicht wird es wohl nicht immer sein", versuchte mein Vater, mich wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen.

"Das weiß ich doch", gab ich zurück.

"Jetzt sei nicht so", rügte Silas meinen Vater. "Sie haben ihre Sache echt gut gemacht, oder?". Nun lächelte mein Vater.

"Das auf jeden Fall. Ich bin sehr stolz auf euch", sagte er zufrieden.

"Danke, Papa", sagte ich und freute mich wirklich über das Lob von ihm. Es bedeutete mir tatsächlich sehr viel, gute Arbeit geleistet zu haben. Und natürlich war es klar, dass es hier nicht immer so perfekt wie heute laufen würde.

 

In Zukunft würde ich die Firma in der Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. Ich würde die Spendengalas eröffnen, würde Werbepartner suchen, würde Werbung schalten und die Reden halten, die bei den Jahreshauptversammlungen anstanden. Auch wenn ich mich auf diese Aufgaben wirklich freute, wusste ich aber auch, dass ich das nicht zu meinem Hauptjob machen wollte. Irgendetwas anderes sollte es sein. Wenn ich nur wüsste, was...

Es war zwei Wochen später, als ich mit Felix auf dem Weg zu einer Beach Party war. Bastian, Oskar und Maika würden auch dort sein, und ich freute mich richtig darauf. Das Wetter war super, Felix hatte am nächsten Tag frei und das hieß, dass wir bis in die Puppen feiern konnten.

Als mein Blick auf das Meer fiel, fiel mir plötzlich das Gespräch mit Viola in dem Restaurant ein, als wir das Geschäftsessen mit Manuela von Biskewitz hatten. Und damit kam mir wieder Felix' früherer Traum in den Sinn. Doch die Frage war: Hatte er diesen Traum wirklich nur mal früher gehabt oder hegte er ihn noch heute? Langes Grübeln half da nicht weiter, deshalb wandte ich mich jetzt an ihn:

"Felix, Viola hat mir vor ein paar Wochen erzählt, dass du früher mal den Traum hattest, als Koch auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten. Ist das so?".

Felix blieb stehen und sah mich an.

"Ja, das stimmt. Warum fragst du?". Er sah mich mit seinen schönen Augen an, die mich jetzt gespannt musterten.

"Na ja, ich finde, dass das ein toller Traum ist und mich würde es einfach interessieren, weshalb du ihn nicht umgesetzt hast?". Nun war es ich, die ihn gespannt ansah. Ich versuchte, die aufkommende Nervosität zu unterdrücken, doch ich war mir sicher, dass er das bemerkte.

"Klar ist das ein schöner Traum. Aber wie so oft ist auch das ein Traum, der in der Realität nur schwer umsetzbar ist".

"Warum? Du hättest dich doch einfach bewerben müssen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass du gute Chancen hättest. Wir waren bei einem Geschäftsessen, da hat die Geschäftspartnerin von einem Schiff erzählt, dass händeringend einen neuen Koch sucht. Ich denke, an dem würde es also nicht scheitern".

"Das mag sein", sagte er dann fest, "doch inzwischen haben sich meine Pläne geändert".

"Klar", sagte ich bitter. "Und ich weiß auch, warum". Es entstand eine kurze Pause zwischen uns, bevor er sagte:

"Du sagst das, als wäre es schlimm, wenn ich jetzt nicht mehr monatelang von hier weg, sondern lieber bei meiner Freundin sein möchte. Du weißt doch, dass ich keine halben Sachen mache, oder?", sprach er dann das aus, was ich schon befürchtet hatte und musterte mich intensiv.

"Berni...", sagte ich und stockte dann. Da hatte ich es! Ich hatte seinen Traum zerstört! Das fühlte sich nicht nur falsch an, das war auch falsch. Gerade er, der mir immer bei allem half - sei es mit den Reden, oder dem Jiu Jitsu - sollte selbst seine Pläne zur Seite legen, weil er mit mir zusammen war? "Das ist überhaupt nicht gut, weißt du das? Ich möchte nicht schuld sein, dass du dich nicht selbst verwirklichen kannst! Hattest du den Traum lange?".

"Was redest du da, Creamy?", fragte er mich, und seine Augen begannen zu funkeln. "Dass ich mit dir zusammen gekommen bin, war ein riesiger Traum von mir! Also habe ich mich schon selbst verwirklicht, oder?".

"Ich finde es ja schön, dass du das so sagst", sagte ich, "Doch ich habe einfach Angst, dass es du irgendwann bereust, diese Reisen nicht gemacht zu haben. Wer weiß, ob du mir das nicht sogar irgendwann unterschwellig zum Vorwurf machen wirst...".

"So ein Quatsch", unterbrach er mich erbost. "Wirklich, ich weiß schon, was ich tue, ja?".

"Und ich glaube, dass du jetzt so aufgeregt wirst, weil ich gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt bin. Wenn ich nicht wäre, würdest du dich dann bewerben?".

"Meine Güte, Madeleine! Diese was-wäre-wenn-Fragen fand ich schon immer blöd! Und ich möchte mir darüber echt keine Gedanken machen, denn ich bin einfach nur froh, dich zu haben, ja?".

Ich spürte, dass er das ernst meinte und ließ mir seine Worte noch mal durch den Kopf gehen. Natürlich hatte er irgendwo recht: Es nutzte nichts, wenn man ständig daran dachte, was geschehen wäre, wenn irgendwas anders im Leben verlaufen wäre. Schließlich gab es im Leben täglich zig Entscheidungen, die wir trafen und die das Leben beeinflussten. Und doch bekam der Gedanke, dass Felix wegen mir einen Traum begraben hatte, einen bitteren Beigeschmack.

 

Während ich an das alles dachte, fiel mein Blick auf ein kleines Zelt am Strand. Und dieses Zelt erinnerte mich an eine Geschichte, die ich vor gar nicht allzu langer Zeit gelesen hatte. Das war das Reisetagebuch einer Frau gewesen, die für ein halbes Jahr alles hinter sich gelassen hatte, um die Welt als Rucksacktouristin zu bereisen.

 

Ich stellte mir vor, ich würde so eine Reise antreten. Ich könnte meine Sprachkenntnisse auffrischen, könnte ein oder mehrere Länder bereisen und sie mal richtig kennenlernen, natürlich auch die unterschiedlichsten Menschen treffen. Zumal ich ja noch keine Ahnung hatte, was ich studieren sollte und so die Zeit, bis ich mich dann endlich mal entschieden hatte, sinnvoll nutzen könnte. Und vor allem: Felix könnte ohne schlechtes Gewissen auf einem Schiff anheuern, wenn ich eh fort war.

"Weißt du Berni, es ist so: Ich habe mir darüber Gedanken gemacht, ob ich mal für eine Weile einfach mit dem Rucksack ein schönes Land erkunden soll, bevor ich mich an einer Uni bewerbe. Ich weiß ja noch nicht mal genau, was ich studieren soll, da wäre so etwas doch gut als Überbrückung. In der Zeit könntest du doch auf einem Schiff arbeiten, oder?".

Felix sah mich forschend an.

"Wie lange machst du dir schon darüber Gedanken?".

"Ist das so wichtig?", wollte ich ausweichen.

"Creamy, du weißt, was ich von Lügen halte, richtig?".

"Ich habe nicht gelogen! Mir kam der Gedanke wirklich!".

"Wann?", bohrte er unbarmherzig nach.

"Gerade eben", gab ich kleinlaut zu und Felix schnaubte wütend die Luft durch die Nase.

"Wusste ich es doch! Verdammt noch mal, Madeleine!", sagte er und stapfte wütend weg, doch ich folgte ihm.

"Was ist?", sagte ich. "Ich habe nie behauptet, dass ich das schon lange so machen möchte, klar? Ich habe dich nicht angelogen!".

"Aber du spielst mir was vor!", erboste er sich. "Du willst doch gar nicht wirklich weg, oder? Du sagst das nur, um mir die Möglichkeit zu geben, mich auf einem Schiff zu bewerben, richtig?".

"Und was ist so falsch daran?", warf ich ihm entgegen. "Für mich wäre so eine Rucksackreise ein echtes Abenteuer, und du könntest das machen, was du schon lange wolltest. Sei ehrlich: Du hattest diesen Traum lange, oder?". Felix war kurz still, und wir hatten Zeit, uns wieder ein bisschen zu beruhigen. Es war für mich ganz schlimm, dass wir nun in einen Streit geraten waren, weshalb ich ganz bewusst tief ein- und ausatmete.

"Ich bekam ihn, kurz nachdem ich mit meiner Ausbildung angefangen hatte", gestand er dann, und auch seine Stimme war nun wieder ruhiger.

"Das war vor 5 Jahren", stellte ich fest. "So unwichtig kann dieser Traum also nicht gewesen sein, wenn sogar Viola davon weiß!".

"War er auch nicht", sprach Felix weiter. "Gerade zu der Zeit erschien mir Sunset Valley als kleines Dorf, das mir die Luft zum Atmen nahm. Ich wollte einfach weg, mal was anderes sehen".

"Das ist doch nicht so ungewöhnlich", sagte ich. "Auch in meiner Klasse zieht es viele Leute nach der Schule erst mal weg". Gefühlt war es sogar jeder Zweite, der nach seinem Abi woanders hin wollte, vor allem ins Ausland. Es ging darum, Erfahrungen zu sammeln, einen guten Lebenslauf zu bekommen und die Welt kennenzulernen. Bisher hatte es mich nie weggezogen, aber je mehr ich darüber nachdachte, auch mal was anderes zu sehen, ein Land und seine Leute richtig kennenzulernen, desto mehr gefiel mir dieser Gedanke. Nicht, dass ich es besonders prickelnd fand, von Felix getrennt sein zu müssen, aber wenn ich ihm so half, sich einen Traum zu erfüllen, dann war das gut.

"Aber meine Situation ist jetzt eine ganz andere!", sagte Felix. "Sunset Valley ist für mich nun kein kleines Dorf mehr, sondern der Ort, wo die Frau lebt, die ich liebe". Er machte eine Pause, sah mich dabei an, nahm dann meine Hand und streichelte mit seinem Daumen darüber. "Es wäre eine schöne Erfahrung gewesen, keine Frage, aber mich zieht es jetzt einfach nicht mehr weg. Verstehst du? Außerdem können sich Träume ja auch mal ändern, oder? Mit dir zusammen zu sein war jedenfalls ganz oben auf meiner Liste, da kann ich es doch super wegstecken, dass ich nun nicht mit einem Schiff um die Welt fahre".

Ich starrte Felix an.

"Hast du - hast du gerade gesagt, dass du mich - liebst?", fragte ich stockend und ging damit auf die Worte ein, die sich in dem Moment, als er sie gesagt hatte, in mein Hirn gebrannt hatten. So hatte ich diese Worte noch nicht von ihm gehört, und auch ich hatte sie ihm bisher noch nie so direkt gesagt. Wir hatten uns schon oft gesagt, dass wir uns lieb hatten, wir hatten darüber gesprochen, wie wir uns ineinander verliebt hatten, aber noch nie wirklich so direkt diese drei Worte. Drei Worte, die von vielen einfach so daher gesagt wurden. Drei Worte, die verbraucht und abgestumpft waren, weil sie überall standen oder besungen wurden. So dachte ich bisher. Jetzt, da mir der Mann, den ich so sehr liebte wie noch keinen anderen vor ihm, sie mir gesagt hatte, hatten sie wieder was Magisches. So, als wären sie nur für uns beide erfunden worden. Wild klopfte mein Herz an meine Rippen.

"Das ist alles, was du dir von meinem Monolog behalten hast?", schmunzelte er und sah mich dabei so lieb an, dass ich weiche Knie bekam.

"Ähm, natürlich nicht!", sagte ich zittrig und spürte, dass meine Wangen ganz heiß wurden, denn ich müsste mich tatsächlich anstrengen, um noch alles zusammen zu bekommen, was er sonst noch gesagt hatte.

"Ich liebe dich wie verrückt", wiederholte er dann, und seine Worte flogen wie ein Feuerwerk durch meinen Körper.

"Und ich liebe dich", sagte ich zu ihm.

Daraufhin flogen wir uns in die Arme und küssten und zärtlich. Damit war das Thema >Kreuzfahrtschiff< erst mal wieder vom Tisch. Und nach dem Kuss machten wir, dass wir zu der Beach Party kamen, um mit unseren Freunden zu feiern.

Am darauffolgenden Wochenende machten Felix und ich ohne die Jungs einen Motorradausflug. Es war die erste längere Strecke für mich, bisher hatte ich nur kürzere Wege hinter Felix auf dem Motorrad zurückgelegt. Wir würden auch irgendwo übernachten, doch wo, das wussten wir noch nicht. Es war für mich völlig neu, eine Reise - und sei sie auch noch so kurz - nicht geplant zu haben, vor allem was das Hotel oder sonstige Übernachtungsmöglichkeiten anbelangte. Doch Felix hatte gemeint, dass wir einfach losfahren und uns dann dort niederlassen sollten, wo es uns gefiel. Entsprechend aufgeregt war ich also an diesem Morgen.

 

Wir machten einen kurzen Stopp in Simgard, denn ich wollte Felix etwas zeigen.

Frisch renoviert strahlte mich unser Grafenanwesen an, als wir auf das nun wieder intakte Haus zugingen.

 

Die Arbeiten daran waren fast komplett abgeschlossen. Innen fehlten noch ein paar Dinge, in den Bädern etwa musste noch verfugt werden, außerdem fehlte noch die Küche, die erst in ein paar Tagen geliefert werden würde. Bis auf diese Kleinigkeiten war das Haus jedoch fertig und von der Ruine nichts mehr übrig.

 

Sven und Lara würden dann schon bald hier einziehen. Hinten links stand schon Svens Gewächshaus parat, in dem er seine botanischen Forschungen außerhalb der Firma betreiben wollte. Rechts war ein Pferdestall errichtet worden, denn Lara wollte nicht nur als Tierärztin arbeiten, sondern hier mit ein paar Pferden eine kleine Zucht aufbauen. Und damit passte sie einfach wunderbar in unsere Familie, schließlich waren unsere Vorfahren Rennpferdezüchter gewesen. Und das Anwesen hier war wirklich wie geschaffen dafür.

Felix besah sich das Haus eine ganze Weile, bevor er murmelte:

"Was für ein Schuppen!". Ich lachte auf.

"Soll das ein Kompliment sein?", fragte ich ihn.

"Ich denke schon", schmunzelte er. "Nach Violas Erzählungen habe ich hier eigentlich eine Ruine erwartet".

"Das war es auch. Das Haus ist vor vielen Jahren abgebrannt und dann lange Zeit unberührt gewesen. Doch natürlich konnte das so nicht bleiben, und jetzt, wo Sven und Lara bald mit dem Studium durch sind, hat es sich mehr als angeboten, es wieder aufzubauen". Felix nickte.

"Es passt zu Sven", meinte er dann. "Viola kann sich mit dieser ganzen Grafengeschichte ja nicht identifizieren".

"Das stimmt", gab ich ihm recht.

Dann kam er auf mich zu und nahm mich in den Arm.

"Und wie ist das bei dir, Sweetheart?", fragte er mich. Ich musste gar nicht lange überlegen, um ihm antworten zu können.

"Ich sehe es eher wie Sven", sagte ich also.

"Das habe ich mir schon fast gedacht", meinte Felix und sah noch mal an dem Haus hoch. Ich sah förmlich, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. "Du musst mir ein bisschen Zeit geben, damit ich mich an den Gedanken gewöhnen kann, mit einer Gräfin zusammen zu sein. Ich hatte bisher so gar nichts mit dem Adel am Hut, und Viola hat immer wieder betont, dass sie es eher peinlich findet, eine Gräfin zu sein. Dass du anders denkst, konnte man natürlich ahnen. Aber ich - na ja, wie gesagt, ich brauche da einfach noch Zeit".

"Die hast du, das weißt du", versicherte ich ihm. "Solange du nicht irgendwann sagst, dass du nicht mit einer Gräfin zusammensein kannst, ist alles gut".

"Da brauchst du dir sicher keine Sorgen machen", sagte er.

"Dann bin ich ja beruhigt", zwinkerte ich ihm zu.

 

Wir blieben dann nicht mehr lange, sondern setzten unseren Ausflug fort. An Felix gekuschelt - soweit das mit dem Helm möglich war - konnte ich mir nicht vorstellen, dass er sich nicht daran gewöhnen würde.

Nach einem unglaublich schönen Tag waren wir nun schon seit über einer Stunde auf der Suche nach einer Pension oder einem Hotel, doch bis jetzt hatten wir rein gar nichts gefunden. Wir waren in einer ziemlich menschenleeren Region gelandet, wo es meist nur kleine Dörfer gab, die natürlich keine Hotels oder Pensionen hatten. Es gab viel Wald und allgemein viel Natur, was ja auch sehr schön war, nur im Moment half uns das leider nicht weiter.

Doch plötzlich tat sich eine Lichtung vor uns auf und eine Holzhütte strahlte uns an. Felix stoppte sofort, wir stiegen von der Maschine und sahen uns die Hütte an.

"Ob wir hier mal fragen sollen, ob wir übernachten können?", fragte ich und versuchte, einen Blick durch die Fenster zu erhaschen. Das Haus war dunkel und es sah nicht so aus, als ob dort in diesem Moment jemand war.

"Es sieht nicht gerade bewohnt aus", meinte auch Felix.

"Mist!", rutschte mir heraus, und ich war schon dabei, wieder in Richtung des Motorrades zu gehen.

"Warte mal", meinte dann Felix. "Es dämmert doch schon, lange sollten wir also nicht mehr fahren, und vielleicht haben die Besitzer ja den Schlüssel hier irgendwo versteckt. Davon hört man ja öfter". Felix machte sich schon daran, die Holzleiste über der Haustür abzutasten, doch ich erschrak.

"Das können wir doch nicht machen!".

"Warum denn nicht?", fragte Felix völlig unbekümmert.

"Die Hütte gehört uns doch nicht!".

"Aber wir brauchen einen Schlafplatz und hier in der Gegend gibt es einfach nichts".

"Ich will hier nicht einbrechen", sagte ich fest.

"Tun wir ja auch nicht", sagte Felix grinsend und hielt dabei einen Schlüssel in die Höhe, den er gerade scheinbar unter der Fußmatte gefunden hatte. Mühelos öffnete er damit die Tür. "Ich sehe das als Einladung", sagte er dann zwinkernd, als er mir die Türe aufhielt um mich reinzulassen.

Es war hier drin duster, aber auch total urig. Dass hier lange kein Mensch mehr war, konnte man an der Staubschicht sehen, die überall vorhanden war. Gut, zumindest war hier wohl aktuell wirklich niemand, beruhigte ich mich.

Felix schloss die Haustüre von innen ab und ließ den Schlüssel stecken.

"So kann uns niemand stören!", meinte er.

"Du bist echt unmöglich", sagte ich kopfschüttelnd zu ihm. "Wenn du denkst, dass du mich, genau wie Viola damals, auf die schiefe Bahn bringen kannst, dann hast du dich aber getäuscht, mein Lieber!". Nun wurde Felix' Grinsen noch breiter.

"Was du nicht sagst. Na, eingebrochen bist du ja jetzt schon mal, die schiefe Bahn ruft also schon ganz laut", ärgerte er mich, weshalb ich ihm unsanft auf den Oberarm boxte.

"Au!", sagte er, doch ich war mir sicher, dass er diesen kleinen Angriff kaum gespürt hatte, denn seine Oberarme waren praktisch Muskeln pur. "Entspanne dich, Creamy!", meinte er dann. "Wir übernachten hier doch nur, und morgen verlassen wir diese Hütte genau so, wie wir sie vorgefunden haben, okay? Ich mache mal den Kamin an, hier scheint es keine Heizung zu geben. An den Wänden hängen Petroliumlampen, die könntest du ja schon mal anzünden, oder?".

Ich war überrascht, wie schnell er das alles erfasst hatte, auch wenn ich noch immer ein seltsames Gefühl bei der Sache hatte.

"Weil du es bist", sagte ich jedoch und machte mich dann daran, die Lampen hier anzuzünden. Inzwischen war es draußen richtig dunkel geworden, und ich sah so langsam ein, dass eine Weiterfahrt nur wenig Sinn gemacht hätte.

Felix schaffte es auch bald, ein Feuer in dem Kamin zu entzünden.

Das Feuer strahlte sofort Wärme aus und Felix machte uns ein wenig Musik von seinem Handy an. Er liebte die alten Rockbands wie Bon Jovi, Aerosmith, Guns N' Roses, U2, Metallica, Queen und AC/DC und hatte eine Playlist auf seinem Handy, deren Inhalt mir ebenfalls super gefiel, wir hatten diese Songs schon öfter hoch und runter gehört. Diese Playlist ließ er nun laufen. Dann klopfte er den Staub vom Sofa, so dass wir uns setzen konnten.

"Komm, ich wärme dich, bis es hier richtig warm ist", meinte er dann und streckte einladend seinen Arm aus. Da konnte ich natürlich nicht widerstehen und kuschelte mich an ihn.

"Bad Boy", sagte ich gespielt tadelnd zu ihm.

"Was? Ich und ein Bad Boy? Ich habe uns doch nur einen warmen und trockenen Unterschlupf organisiert", meinte er engelsgleich und ich musste grinsen.

"Ach, was bist du doch für ein Unschuldslamm!", kicherte ich und Felix zog mich sanft noch näher zu sich heran.

Es war total gemütlich, und ich begann, das hier alles zu genießen. Kein Wunder. In seinen Armen, an einem knisternden Feuer, dazu die leise Musik. Gerade kam "With Or Without You" von U2, und ich lauschte Bonos Stimme und bewunderte mal wieder die Gitarrenfähigkeit von "The Edge" David Evans.

"Und? Wird es dir schon warm?", fragte mich Felix flüsternd und ich nickte.

"Ja, absolut", antwortete ich.

Er beugte sich zu mir und küsste mich. Nur zu gern erwiderte ich seinen Kuss und wir schmusten auf diesem fremden Sofa. Felix' Hände lagen warm auf mir, die Hand an der Schulter hielt ich fest, damit er mich nicht mehr so schnell loslassen konnte. Seine andere Hand suchte sich den Weg unter mein Shirt, wo sie begann, mich ganz sanft zu streicheln. Von Kühle konnte wirklich keine Rede mehr sein, mir wurde im Gegenteil immer wärmer. Sehr warm sogar.

Nach diesem zärtlichen Kuss lehnten wir uns aneinander. Ich hielt ihn immer noch fest, genauso, wie er nicht aufhörte, mich am Bauch zu streicheln. Ich roch ihn, atmete ihn ein. Ich roch das Leder seiner Jacke, den Wind, der uns heute bei der Motorradfahrt ins Gesicht geweht war, ich roch Freiheit und Abenteuer und es begann, auf meiner Haut zu kribbeln. Dann lauschte ich seinem Atem. Er atmete tief, doch es war offensichtlich, dass sich seine Atmung langsam beschleunigte. Er flüsterte, dass er sich nicht erinnern könne, je so glücklich gewesen zu sein, und ich sagte ihm, dass ich mich ganz genau erinnern könne, dass ich noch niemals so glücklich war wie mit ihm.

 

Und dann wurde mir bewusst, dass wir alleine waren. So richtig allein, wir hatten das ganze Haus nur für uns. Wir mussten keine Angst haben, dass irgendwann die Tür aufgerissen werden würde, weil jemand aus meiner Familie in das Zimmer stürmte in der falschen Annahme, ich sei allein. Bei ihm zu Hause war das gleiche in grün mit seinem Onkel. Wir waren also zum ersten Mal wirklich ungestört.

 

Dieser Gedanke brachte alles in mir zum Beben und Verlangen erwachte. Verlangen nach ihm, Verlangen nach Liebe. Körperlicher Liebe.

Und genau das sagte ich ihm:

"Schlaf mit mir, Felix!".

Notenbild ist verlinkt und führt zu einem Video.

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"Baby!", krächzte er und sah mich an. "Willst du das wirklich? Mit einem Bad Boy?".

"Nur mit dir, Bad Boy", antwortete ich atemlos. "Wenn du es auch möchtest". Meine Stimme hatte mich vor Aufregung schon fast im Stich gelassen und ich wartete gespannt auf Felix' Antwort.

Doch er zeigte mir sehr genau, was er wollte. Fest legte er seine Lippen auf meine und küsste mich leidenschaftlich. Ich küsste ihn genauso wild zurück und wurde von so vielen Gefühlen schlicht überrollt. Felix' Hände erkundeten nun meinen Körper, zogen meine Jacke aus. Und weil auch ich mehr von ihm spüren wollte, seine Haut genießen wollte, begann auch ich, ihn zu entkleiden.

Irgendwann ließen wir uns auf den Boden gleiten, der durch das Feuer angenehm aufgewärmt worden war. Ich ließ mich von meinen Gefühlen leiten, auch wenn ich meine Nervosität nicht ganz unterdrücken konnte.

 

Mein erstes Mal - ich war in dem Moment froh, dass Felix Bescheid wusste. Und weil auch die Verhütung abgehakt war, versuchte ich zu entspannen, so weit das in dieser Situation überhaupt möglich war.

Irgendwann legte mich Felix sanft auf den Boden, liebkoste mich und flüsterte:

"Madeleine, ich liebe dich. Bitte sag es gleich, wenn ich dir weh tue, ja?".

"Ja", sagte ich knapp, weil mir mein Herz vor Aufregung bis zum Hals schlug.

 

Und dann erlebte ich das, wovon ich bisher nur gelesen und geträumt hatte: Ich schlief mit einem Mann.

Danach blieb ich völlig kaputt auf seinem Bauch liegen und Felix schlang seine Arme um mich. Es war unbeschreiblich gewesen und ich war erfüllt von Glücksgefühlen.

"Du hast mich völlig fertig gemacht", murmelte ich und ich spürte an seinem Brustkorb, dass er kurz auflachte.

"Du mich auch", sagte er dann, und ich kuschelte mich noch näher an ihn ran. Ich hörte sein Herz schlagen, das sich so langsam wieder beruhigte und auch mich überkam eine wohlige Müdigkeit, die mich schon kurz darauf einnicken ließ.

Natürlich hatten wir auf dem harten Fußboden und in der Position nicht lange schlafen können, und als wir wieder wach wurden, war es noch dunkel. Wir zogen uns an, schauten dann danach, dass das Haus wieder in seinem ursprünglichen Zustand war und gingen hinaus. Nachdem wir die Tür sorgfältig verschlossen hatten und den Schlüssel wieder unter der Fußmatte deponiert war, dämmerte es dann und wir machten uns fertig, um weiterzufahren.

 

Bevor wir uns die Motorradhelme aufsetzten küsste mich Felix noch mal, und ich hatte das dumpfe Gefühl, dabei beobachtet zu werden. Wohlwissend, dass hier außer uns beiden keine Menschenseele war.

 

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